„Das Interesse am neuen Betreuungs-Angebot ist sehr groß“

Stuttgarter Pflege-WG in SWSG-Gebäude nimmt wichtige Hürde

Jan Böhme
Über gute Entwicklungen der selbstverwalteten Pflege-Wohngemeinschaften in Rot spricht Jan Böhme.

Eine für Stuttgart neue Form der Pflege ermöglicht die SWSG in ihrem Bauprojekt in der Auricher und Olnhauser Straße. Das Wohnungsunternehmen der Landeshauptstadt schafft in Zuffenhausen-Rot Platz für zwei selbst verwaltete Pflege-Wohngemeinschaften. Eine kultursensible WG richtet sich an türkischstämmige Pflegebedürftige, die andere ist auf keine besondere Kultur spezialisiert. Deren Mitglieder bereiten sich gerade auf einen wichtigen Schritt vor, erklärt Jan Böhme, Leiter des zuständigen SWSG-Kundencenters Nord.

Wie weit ist die SWSG mit ihren Pflege-WGs?

Jan Böhme: Wir kommen gut voran. Während wir bei der kultursensiblen Wohngemeinschaft vier feste Mietzusagen erhalten haben und im Januar in die Gründungsphase gehen, gibt es bei der kulturneutralen WG drei feste Zusagen. Bei beiden Wohngemeinschaften haben die Bewohner und Angehörigen die Auftraggeber-Gemeinschaft bereits gebildet.

Was bedeutet das?

Jan Böhme: Die Auftraggeber-Gemeinschaft kann man mit einem WG-Rat vergleichen. Bewohner oder Angehörige entscheiden gemeinsam über grundlegende Dinge der Pflege-WG, etwa über den Auftrag für einen Pflegedienst oder die Einrichtung des Essbereichs und des Wohnzimmers.

Wenn schon so viel geregelt ist, können neue Bewohner dann überhaupt noch einziehen?

Jan Böhme: Selbstverständlich geht das. Wir haben bei der WG ohne kulturelle Spezialisierung noch fünf Plätze frei. Die ersten WG-Mitglieder bereiten sich auf einen wichtigen Schritt vor. Jetzt im November hatte für die ersten Bewohner die Einzugsphase, dann hat Stuttgart seine erste selbst verwaltete Pflege-Wohngemeinschaft begonnen.

Drei vergebene Plätze kurz vor dem Einzug – fehlt das Interesse an den WGs?

Jan Böhme: Ganz im Gegenteil. Wir haben viele Anfragen und das Interesse am neuen Betreuungs-Angebot ist sehr groß. Wir führen daher laufend Beratungsgespräche mit Interessenten. Anders als in anderen Großstädten ist die Idee der Pflege-WG in Stuttgart aber noch nicht etabliert. Es dauert seine Zeit, bis sich die Menschen vorstellen können, was das Konzept der selbst verwalteten Pflege-Wohngemeinschaft genau ausmacht.

Wie sieht das Konzept denn aus?

Jan Böhme: Es basiert auf einer einfachen Idee. Ältere Menschen oder auch jüngere Pflegebedürftige wohnen gemeinsam in einer geeigneten Wohnung, entscheiden zusammen über die wichtigen Rahmenbedingungen wie den Pflegedienst und schaffen sich so passgenaue Lösungen für ihren Alltag, die etwa ein Pflegeheim so nicht bieten kann. Dort gibt es ein umfassenderes Angebot, das aber weniger individuell ist.

Wie sieht eigentlich der Alltag in einer Pflege-WG aus?

Jan Böhme: Die Bewohner gestalten ihren Tagesablauf sehr selbst bestimmt. Gemeinsame Aktivitäten wie Kochen halten die Bewohner fit. Jeder beteiligt sich so gut er kann, dabei unterstützen sogenannte Alltagsbegleiter rund um die Uhr. Außerdem sind die Angehörigen in allen wesentlichen Entscheidungen eingebunden, sie helfen mit, übernehmen also Verantwortung, und können doch sicher sein, dass die Versorgung des pflegebedürftigen Vaters oder der dementen Mutter gewährleistet ist.

Wer kann Mitglied einer Pflege-WG werden?

Jan Böhme: Eigentlich jeder Mensch, der gepflegt werden muss, also in einer der Pflegestufen null bis drei eingestuft ist. Das Konzept unterscheidet nicht nach Alter oder Geschlecht. Es ist insbesondere auch für Menschen mit Demenz gut geeignet, denn gerade sie können besonders von dem gemeinsamen Alltag in einer Pflege-WG wie in Rot profitieren.

Hintergrund

In ihrem Neubauprojekt in der Olnhauser und Auricher Straße (90 Wohnungen mit rund 6600 Quadratmeter Wohnfläche plus Kindertagesstätte) stellt die SWSG zwei rund 230 Quadratmeter große Wohnungen für selbst verwaltete Pflegewohngemeinschaften zur Verfügung. Die zwei WGs sind für jeweils acht pflegebedürftige Menschen reserviert. Die Einrichtung, bis auf die der Küche, bringen die Bewohner mit. So nehmen sie ein Stück gewohntes Umfeld mit in die neue Heimat. Pflegedienste sowie Alltagsbegleiter – von den Bewohnern oder deren Angehörigen bestellt – sorgen für das Wohl der Bewohner und den strukturierten Tagesablauf. Seit November ist die kulturneutrale WG bezogen, die türkischstämmigen Senioren der kultursensiblen WG folgen im Januar 2016.

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