Traum vom Leben ohne Trauma

SWSG unterstützt psychologische Beratungsstelle für politisch Verfolgte und Vertriebene

SWSG-Geschäftsführer Samir Sidgi (links), EVA-Vorstand Professor Dr. Jürgen Armbruster.
SWSG-Geschäftsführer Samir Sidgi (links), EVA-Vorstand Professor Dr. Jürgen Armbruster.

Wo herrscht Krieg in der Welt? Ein Gradmesser dafür ist die Psychologische Beratungsstelle für politisch Verfolgte und Vertriebene, ein Therapiezentrum für Überlebende traumatischer Gewalt. Angesichts der Krisenherde im Nahen Osten und in Afrika brauchen immer mehr Menschen die Hilfe der Einrichtung in Stuttgart, die von der Evangelischen Gesellschaft (EVA) getragen wird. Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft SWSG unterstützt diese wichtige Arbeit mit einer Spende von 10.000 Euro.

Die Zahlen schnellen seit 2013 nach oben. Fast 45 Prozent mehr Hilfesuchende aus aller Welt, ein Plus von 95 Prozent traumatisierter Flüchtlinge aus Syrien, mehr als doppelt so viele minderjährige Flüchtlinge ohne Begleitung. Sie alle suchen Hilfe für die geschundene Seele: Die Psychologische Beratungsstelle für politisch Verfolgte und Vertriebene in der Stuttgarter Schloßstraße 76 hat mehr Zulauf denn je. Rund 40 Prozent mehr Patienten als 2013 hat die EVA -Einrichtung 2014 behandelt. Und, wen wundert’s, 2015 steigt der Druck.

Diplom-Psychologe Dieter David spricht von Wartezeiten für Patienten von sieben bis neun Monaten. „Danach lässt sich ein Kriegs- und Fluchttrauma schwerer behandeln", sagt der Leiter der Einrichtung. Oft seien die Patienten dann stationär untergebracht mit hohem Kosten- und Medikamentenaufwand. Dabei sei wissenschaftlich anerkannt: Für Trauma-Patienten ist das ambulante psychologische Angebot einer Beratungsstelle wie in der Schloßstraße die beste Art, die seelischen Wunden zu behandeln.

"Die wahre Not kommt bei Ihnen an."

„Wir können kaum erahnen, was die Menschen durchgemacht haben", sagte Samir Sidgi bei der Spendenübergabe am Freitag. Die SWSG unterstützt die Landeshauptstadt Stuttgart bei der Unterbringung von Flüchtlingen durch die Errichtung von Systembauten oder durch die zwischenzeitliche Unterbringung von Flüchtlingen in leerstehenden Wohnungen. „Die wahre Not aber kommt bei Ihnen an", sagte Sidgi und überreichte einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro. Professor Dr. Jürgen Armbruster, Vorstand der EVA, dankte für die Spende, die angesichts der wachsenden Aufgaben der Beratungsstelle dringend gebraucht werde.

Die Beratungsstelle hat 2014 knapp 300 Menschen unterstützt, die meisten aus Afghanistan und Syrien. Neben einem medizinischen Dienst bietet die Einrichtung ambulante Trauma-Therapien an. Die Fachleute setzen auf einen ganzheitlichen Ansatz, der das Patienten-Umfeld ebenso berücksichtigt wie deren persönliche kulturspezifische Wahrnehmung von Gewalterlebnissen. Talente, Fähigkeiten, Sprachkenntnisse, Familie oder Freunde der Patienten werden dabei besonders betrachtet. Diese kognitiven und systemischen Therapieansätze werden durch Kreativ-Angebote flankiert, mit denen die Therapeuten Zugang zu den Patienten schaffen. Fachleute bieten einen Platz in der Schneiderei an oder beim Theater-, Computer-Design-, Zeichnen- oder Malkurs. Als freie Gruppe gibt es einen internationalen Koch-Workshop.

Fast alle der 19 Ärzte, Psychologen oder Betreuer haben einen internationalen Hintergrund. Das schafft einen breiten Sprachenfundus – von Spanisch bis Hebräisch und Arabisch. „Wir sind das Team „Babylon von Stuttgart", sagt Beratungsstellenleiter David, der selbst aus Rumänien stammt. Außerdem hat die Einrichtung einen Pool an Übersetzern.

Zeugnisse von historischem Wert

Diese haben oft schreckliche Geschichten von Tod und Vertreibung, Vergewaltigung und Versklavung zu dolmetschen. Gleichzeitig entstehen so wertvolle Zeitzeugenberichte. Die Gesprächsprotokolle von rund 300 ehemaligen Patienten, die im Bosnienkrieg traumatisiert wurden, sind mittlerweile für Historiker einsehbar. „Das ergibt ein ganz eigenes Bild der Geschehnisse in der ersten Hälfte der 90er-Jahre", sagt Beratungsstellenleiter David.

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