Von Einer, die auszog...
Nadine Berneis im Gespräch
„Als ich durchs Abi fiel, war das für meine Familie eine kleine Katastrophe", erzählt Nadine Berneis. Ihre Eltern zweifelten damals daran, dass die junge Frau auch ohne Abitur erfolgreich sein kann. Nadine Berneis belehrte sie eines Besseren - doch dafür musste sie ihre Heimat Dresden verlassen.
„In meiner Kindheit war nicht immer alles schön, vor allem der Schulalltag war für mich schwierig“, berichtet Nadine Berneis. „Ich war keine gute Schülerin.“ Daher war für sie klar, dass sie nach dem verpatzten Abitur Abstand von zuhause brauchte. „Ich hatte bereits vor den Abi-Prüfungen eine Zusage für die Polizeiausbildung, dem Stress der Nachprüfungen wollte ich mich nicht aussetzen.“ Sie packte ihre Sachen und machte sich auf in den Süden Deutschlands. „Es war die beste Entscheidung, mit 18 Jahren von zuhause auszuziehen“, fasst die Polizistin zusammen. „Ich habe gelernt unabhängig zu sein, musste meine Schüchternheit ablegen und bin selbstbewusster geworden.“
Gestärkt wurde ihr Selbstbewusstsein zudem durch ihre Berufswahl. „Tatsächlich war es kein Kindheitswunsch von mir, Polizistin zu werden“, gibt Berneis zu. „Aber ich war sehr neugierig, habe viele Krimis gelesen und irgendwann bin ich auf die Website der Polizei im Internet gestoßen.“ Beworben habe sie sich nur für die süddeutschen Bundesländer: „Dort waren die Einstellungszahlen am höchsten – und Bayern und Baden-Württemberg sind weit weg von Dresden.“
Erste Ausbildungsstation war Biberach an der Riss. Anfänglich hatte Berneis Schwierigkeiten, mit dem Dialekt klarzukommen: „In Biberach waren manche Lehrer schwer zu verstehen und auch mit den Mitschülern gab es so manches Missverständnis. Einmal wollte eine Gruppe nach dem Unterricht zum Schwimmen gehen, als sie mich fragten, ob ich mit möchte, habe ich „nu“ geantwortet – sächsisch für ja. Die anderen sind dann ohne mich losgezogen, sie hatten meine Antwort als „nein“ interpretiert.“ Auch plagte Berneis während ihrer Ausbildung ab und an Heimweh: „Ich konnte nicht übers Wochenende nach Dresden fahren, das war wegen der weiten Strecke nicht möglich.“ Sie tat sich mit anderen zusammen, denen es ähnlich ging „gemeinsam haben wir dann Ausflüge gemacht und die Gegend erkundet. Das hat Spaß gemacht und von manchen Sorgen und Zweifeln abgelenkt.“
Nach zwei Jahren kam sie zur Einsatzabteilung nach Bruchsal, wo sie unter anderem für die Sicherheit bei Fußballspielen eingesetzt wurde. „Das war eine spannende Zeit“, meint Nadine Berneis. „Ich bin mit meiner Schwester zusammengezogen, die in Mannheim lebte.“ In der Wohngemeinschaft wäre sie gerne etwas länger geblieben, doch statt nach Heidelberg, wird sie mit 25 Jahren nach Stuttgart zum Streifendienst beordert. „Das war irgendwie auch das Ende meiner Sturm- und Drang-Phase“, resümiert Berneis. „Die vielen Ortswechsel in der Ausbildungszeit fand ich keineswegs stressig, im Gegenteil: Mir hat es Spaß gemacht, neue Menschen kennenzulernen und ich hab mich immer gefreut, andere Orte zu entdecken.“
„Ich weiß nicht, ob es Glück oder Schicksal war, aber mir hat das Jahr als Miss Germany einen sehr großen Erfahrungsschatz geschenkt. Ich habe in dem einen Jahr mehr gelernt als ich in zehn Jahren hätte lernen können."
Über Nadine Berneis
- Geboren 1990 in Dresden
- 2009 Ausbildung zur Polizistin
- 2018 Miss Baden-Württemberg
- 2019 Miss Germany
Mit 28 Jahren suchte die Polizistin neue Herausforderungen. Sie wollte an ihrem Selbstbewusstsein arbeiten, mehr Sicherheit in ihrem Auftreten an den Tag legen: „Ich dachte mir, da geht noch mehr.“ In den Sozialen Netzwerken stieß sie auf Beiträge zur Miss-Wahl und beschloss, sich zu bewerben: „Die Altersgrenze lag bei 28 Jahren, es war also meine letzte Chance, an dem Wettbewerb teilzunehmen – die habe ich genutzt.“ Im Oktober 2018 wurde die gebürtige Dresdnerin zur Miss Baden-Württemberg gewählt, im Februar dann zur Miss Germany. „Ich weiß nicht, ob es Glück oder Schicksal war, aber mir hat das Jahr als Miss Germany einen sehr großen Erfahrungsschatz geschenkt. Ich habe in dem einen Jahr mehr gelernt als ich in zehn Jahren hätte lernen können“, erklärt Berneis. Und sie ergänzt: „Es geht bei den Miss-Wahlen mittlerweile nicht mehr um ein klischeehaftes Schaulaufen. Die Teilnehmerinnen haben vielmehr eine Geschichte, sie setzen sich für etwas ein.“ Das tat auch Berneis und rückte in ihrem Miss-Jahr zwischen Veranstaltungen und Interviews ihre eigenen Schwerpunkte ins Rampenlicht: „Zum einen liegt mir das Thema Prävention am Herzen – das Jahr habe ich genutzt, um den Menschen zusätzlich auf betrügerische Maschen aufmerksam zu machen und Tipps zur Vorbeugung und zum Schutz zu geben“, erläutert Berneis. Als zweites Thema setzte sie ihr Hobby in den Mittelpunkt – das Rennradfahren: „Das ist eine Leidenschaft, die mir sehr viel Spaß macht. Ich liebe es in der Natur unterwegs zu sein, vor allem in den Bergen. Und die Schnelligkeit mag ich auch.“
Die Liebe zur Natur und vor allem zu den Bergen entdeckte Berneis nach dem Ende ihrer Ausbildung. Als Kind verbrachte sie im Urlaub viel Zeit in Österreich, konnte den Bergen anfangs aber wenig abgewinnen: „Ich wollte lieber ans Meer; die Ferien in den Bergen empfand ich damals als langweilig“, erzählt Berneis. Dennoch ist ihr ein Urlaub in besonderer Erinnerung geblieben: „Da bin ich mit meinem Opa auf eine Hüttentour gegangen, ausgerüstet lediglich mit einem Rucksack. Das war sehr abenteuerlich, wie wir in den Bergen und auf Gletscher gekraxelt sind – bis auf 3000 Meter Höhe haben wir es geschafft. “
Urlaub macht Nadine Berneis mittlerweile nur noch mit dem Wohnmobil und oft in den Bergen: „Österreich, Südtirol, Frankreich – alles, was man gut erreichen kann.“ Sie versucht, generell einen Ausgleich zwischen anstrengenden Phasen und Erholungszeiten zu schaffen, wie sie es bereits für ihr Jahr als Miss Germany getan hat. Damals nahm sie zwölf Monate Urlaub von ihrem Job als Polizistin, um alle Veranstaltungen und Aufgaben wahrnehmen zu können. Zeit für ihr Privatleben blieb ihr dennoch: „Auch heute ist es mir wichtig, Auszeiten von der Arbeit als Polizistin und meinen Tätigkeiten als Model sowie auf Social Media zu nehmen.“ Nach anstrengenden Tagen freut sich Berneis darauf, nach Hause zu kommen: „Manchmal will ich dann nichts mehr machen, nur noch entspannen. An anderen Tagen will ich abends noch was unternehmen. Dann steige ich aufs Rennrad oder ich koche.“
„Meine Wurzeln sind in Dresden, aber Stuttgart ist mittlerweile meine Heimat."
Nach dem Ende ihres Miss-Jahres nutzt die Polizei Berneis‘ Prominenz, um die Präventionsarbeit voran zu treiben. Sie tritt als Polizistin und Ratgeberin in unterschiedlichen TV-Formaten auf und klärt über Betrugsmaschen auf. „Prävention braucht ein Gesicht“, sagt Berneis. Das Thema ist ihr persönlich ein großes Anliegen. „Ich nutze auch meine Social-Media-Kanäle, um die Menschen über bestimmte Themen aufzuklären. Meiner Meinung nach erreiche ich damit nochmals ganz andere Zielgruppen.“
Als sie während der Corona-Pandemie vermehrt Zeit zuhause verbringt, nutzt sie auch diese Zeit aktiv. „Wir haben gestrichen, ein neues Sofa gekauft und das Projekt Ankleidezimmer in Angriff genommen – während Corona habe ich gesehen, was ich in den vier Wänden alles verändern möchte“, erzählt Berneis. Ein schönes Zuhause ist ihr wichtig, es gebe ihr Geborgenheit. Auch den Begriff Heimat assoziiert Berneis mit einem Ort, an dem sie sich wohlfühlt. „Und es ist ein Ort, der mit einer persönlichen Geschichte verbunden ist“, so die Polizistin weiter. Wo dieser Ort für sie ist? „Meine Wurzeln sind in Dresden, aber Stuttgart ist mittlerweile meine Heimat“, beschreibt es Berneis. Selbstverständlich ist sie Dresden immer noch verbunden: „Ein Großteil meiner Familie lebt dort.“ Doch Stuttgart ist ihr mittlerweile ans Herz gewachsen. Sie kennt die Stadt nicht nur aus beruflichen Gründen gut, sondern erkundet sie auch in ihrer Freizeit. Besonders die äußeren Stadtteile, die eine Nähe zur Natur haben, schätzt Berneis. „Killesberg, Grabkapelle, Degerloch – es gibt so viele grüne Ecken in Stuttgart. Außerdem mag ich den Blick in den Kessel.“ Auch das Essen in der Landeshauptstadt hat es ihr angetan: „Ich mag die schwäbische Küche und die vielen Restaurants in der ganzen Stadt.“
Der frühe Auszug von Zuhause, die Karriere als Polizistin, die Wahl zur Miss Germany, Rennradfahren – Nadine Berneis sucht auch die Herausforderung, will an ihre Grenzen kommen: „Ich bin ehrgeizig, aber nicht verbissen.“ Es scheint Nadine Berneis‘ Lebensmotto zu sein, sich immer neuen Aufgaben zu stellen. „Daran wächst man“, erklärt sie. Berneis ist aktiv, sie will etwas erreichen und verändern. „Das Leben ist doch langweilig, wenn man nichts Neues wagt“, konstatiert sie. „Ich möchte jetzt leben, jetzt gestalten, jetzt erfolgreich sein und das finden, was mich glücklich macht.“