New Work - Zwischen Bewegung und Balance

Im Gespräch mit Prof. Dr. Jutta Rump,

Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen (IBE)

Frau Prof. Dr. Rump, Corona beeinflusst unser Leben weltweit seit mehr als zwei Jahren – und damit auch unser Arbeitsleben. Welche wichtigen Veränderungen können Sie beobachten?

Manche Veränderungen sind evident, so sind die Möglichkeiten für Homeoffice und mobiles Arbeiten keineswegs ausschließlich bestimmten Gruppen, wie beispielsweise Müttern und Vätern, vorbehalten. Das hat sich mittlerweile zu einer Arbeitsform entwickelt, die allen offensteht, in deren Berufsfeld ein Arbeiten vor Ort nicht zwingend notwendig ist. Außerdem hat eine Virtualisierung der Kommunikation und Zusammenarbeit stattgefunden. Vor allem während der Lockdowns war das ein eminentes Mittel, um Unternehmen am Laufen zu halten. Das ist ein Technikschub, der mittlerweile für alle in der Realität angekommen ist. Und dann ist da noch die Veränderungsgeschwindigkeit zu nennen, die Vielfalt von Veränderungen. Wir sprechen hier von einer Transformationstrilogie, zu der neben der Digitalisierung die Ökonomie – denken Sie nur daran, wie viele Unternehmen sich während der Pandemie neu erfinden mussten und dabei neue Prozesse entwickeln und digitaler denken mussten – sowie die Ökologie zählt. Denn das Thema Nachhaltigkeit wird immer stärker mitgedacht – vor allem dann, wenn ganze Prozesse auf den Prüfstand gestellt werden.  

Was wird davon bleiben – was wird wieder verschwinden?

Meines Erachtens nach sind diese Entwicklungen nicht umkehrbar. Für vieles wird es Hybridlösungen geben, in denen man idealerweise das Beste aus beiden Welten vereint.

Auch die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen immer mehr. Dabei scheint „New Work“ das Schlagwort der Stunde zu sein – was verstehen Sie darunter?

„New Work“ ist eine Philosophie, ein Mindset, das man sich wie ein Gebäude vorstellen kann: Das Fundament bilden die Kompetenzen und der Wille zum lebenslangen Lernen. Dann gibt es die tragenden Wände. Dazu gehören die Vernetzung und die Partizipation der Mitarbeiter*innen, das Nutzen von Schwarmintelligenz, die Sinnhaftigkeit der Arbeit sowie die Balance, also das, was man unter Work-Life-Balance zusammenfasst. Die Decke des „New-Work-Hauses“ bilden die Arbeitsformen. Und als Dach runden die Flächenstrukturen – also zum Beispiel Open Space oder Großraumbüros – die Architektur ab. Wichtig ist, dass man „New Work“ von unten her, also vom Fundament aus denken und angehen muss.

 

New Work

In den 1970er Jahren führte der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann den Begriff „New Work“ ein. Damit wird der strukturelle Wandel in der Arbeitswelt beschrieben, dessen Ursachen beispielsweise in der Digitalisierung und Globalisierung liegen. Durch „New Work“ entwickeln Unternehmen individuelle, auf die speziellen Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen, um zukunftsorientiert und langfristig den vielfältigen Herausforderungen entgegenzutreten.

 

VUKA-Welt

VUKA (oder im Englischen VUCA) ist die Abkürzung der Begriffe volatil, unsicher, komplex und am­bivalent. Der Ausdruck beschreibt die schwierigen Rahmenbedingungen der Unternehmensführung. Mittlerweile wird damit auch die unsichere Welt aus dem Blickwinkel der Arbeitnehmer*innen berücksichtigt, in der sich die Anforderungen an den Job stetig wandeln. Der Begriff „VUKA­Welt“ wurde übrigens nach dem Ende des Kalten Krieges erstmals genutzt, um das multilaterale Machtgefüge zu beschreiben.

Gleichzeitig spielen die Themen der Vernetzung, Digitalisierung, Globalisierung eine wichtige Rolle – und zwar in der sogenannten VUCA-Welt, in der Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität unser Leben prägen.

Das ist korrekt – mittlerweile haben fünf Milliarden Menschen die Möglichkeit, sich digital zu vernetzen, den virtuellen Raum zu nutzen und dort Daten, Informationen und Erfahrungen auszutauschen. Und zwar gleichzeitig! Wenn wir Wissen und Kompetenzen in dieser Dimension austauschen, nimmt alles eine immense Geschwindigkeit an. Die Pandemie hat hierfür den Rückenwind geliefert. Dass sich Menschen in dieser schnellen und komplexen Welt unsicher fühlen, ist nur verständlich. Man muss sich klarmachen, was hier passiert, in welchen Zusammenhängen das alles steht – und dann gilt es, sich selbst zu verorten, die eigenen Hebel zu erkennen und in Balance zu kommen.

Was muss ein Unternehmen zukünftig bewerkstelligen können, um der neuen Arbeitswelt gewachsen zu sein? Welche Transformationen sind notwendig?

Die Belegschaft muss in Bewegung bleiben – ohne die Balance zu verlieren. Hierfür muss man die Mitarbeiter*innen mitnehmen, sie an Entscheidungen partizipieren lassen und die Selbstbestimmtheit stärken. Denn Veränderung tut gut, wir arbeiten besser und effizienter, wenn unser Gehirn nicht immer gleich belastet wird. Idealerweise sind alle Mitarbeiter*innen auch da eingesetzt, wo ihre Stärken und Talente liegen – dann nimmt man Stress und Veränderungen anders wahr. Natürlich können nicht in jedem Unternehmen die Mitarbeiter*innen ihre Arbeitsplätze und Aufgabenbereiche tauschen, aber manchmal helfen auch kleine Mechanismen, beispielsweise, wenn man die Stellvertretung eines Kollegen oder einer Kollegin übernimmt und dabei mit anderen Aufgaben in Berührung kommt.

Zeit – vor allem in Präsenz – wird ein immer knapperes Gut. Welche Auswirkungen hat das auf die Arbeitswelt? Wie funktioniert dann beispielsweise Teamwork?

Digitale Meetings gab es auch schon vor Corona, vor allem Unternehmen, die im internationalen Umfeld aktiv sind, nutzten Videokonferenzen in ihrem Arbeitsalltag. Und die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass sehr, sehr vieles möglich ist. Workshops, Meetings, Konferenzen… das alles funktioniert auch digital. Selbst große und komplexe Projekte kann man auch im virtuellen Raum stemmen und herausragende Ergebnisse erzielen. Jedoch wünscht man sich bei manchen Terminen und Themen, diese besser in Präsenz wahrzunehmen. Das Treffen im realen Raum macht manches einfacher – denken Sie zum Beispiel an Mimik, Gestik oder die Atmosphäre in einem Raum. Wir werden daher zukünftig mit unserer Präsenzzeit überlegter umgehen: Für welchen Termin ist es wichtig, dass wir uns persönlich treffen und was kann digital stattfinden. Da spielt auch das Thema der Notwendigkeit eine Rolle. Meetings, bei denen es rein ums Operative geht, funktionieren meist digital sehr gut; für Strategisches oder alles, was den Teamgeist betrifft, sind reale Treffen besser. Die Präsenzzeit wird also eine hohe Wertigkeit haben und damit kostbar sein.

Corona hat vielen Menschen mehr Zeit für sich selbst geschenkt – dadurch haben sich viele Gedanken gemacht, womit Sie Ihre (Arbeits-)Zeit verbringen möchten. Dabei rückt die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit in den Vordergrund. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Sinnhaftigkeit oder „Purpose“ werden immer wichtiger. Bei der rasanten Entwicklungsgeschwindigkeit ist es einfacher schrittzuhalten, wenn ich nach meinen Stärken und Talenten eingesetzt werde, wenn ich meinen Beitrag zum Unternehmen und auch für die Gesellschaft sehe. Man muss für seinen Job brennen und erkennen können, worin für mich – also für jede*n Einzelne*n – der Sinn liegt. Das ist natürlich von Mensch zu Mensch verschieden, aber diese Erkenntnis liefert immer eine immense Motivation. Dadurch können die Menschen über sich hinauswachsen.

Und welchen Faktor spielt die Identifikation mit dem Unternehmen in diesem Zusammenhang?

Identifikation geht viel tiefer als Motivation. Wenn ein Unternehmen die Sinnhaftigkeit rüberbringen kann, wenn quasi die Beweise dieser Sinnhaftigkeit auf dem Tisch liegen, dann ist das ein wichtiger Hebel in der Personalgewinnung und der Mitarbeiterbindung. Allerdings ist das eine große Aufgabe, da die Identifikation wiederum höchst individuell ist. Herauszufinden, was die Ankerpunkte der einzelnen Mitarbeitenden sind und darauf einzugehen, ist eine herausfordernde Führungsaufgabe.

Zum Schluss: Machen uns die Entwicklungen und Transformationen effizienter? Kreativer? Motivierter?

Wenn man das New-Work-Prinzip richtig umsetzt und dabei die individuelle Perspektive im Blick behält, dann werden wir produktiver, kreativer und motivierter.

Frau Prof. Dr. Rump, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Dr. Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Darüber hinaus ist sie Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen (IBE) – eine wissenschaftliche Einrichtung der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und Forschungsschwerpunkt des Landes Rheinland-Pfalz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Trends in der Arbeitswelt (Digitalisierung, Demografie, Diversität, gesellschaftlicher Wertewandel, technologische Trends, ökonomische Entwicklungen, …) und die Konsequenzen für Personalmanagement und Organisationsentwicklung sowie Führung. Seit 2007 gehört sie zu den „40 führenden Köpfen des Personalwesens“ (Zeitschrift Personalmagazin) und zu den 8 wichtigsten Professoren für Personalmanagement im deutschsprachigen Raum.